Im Gespräch mit Projektträgern

Die Menschen und deren Geschichte, die hinter den Projekten stehen, sind mindestens genauso interessant wie die Umsetzung und Entwicklung der Vorhaben. Des wegen nutzte das Leader-Management die Gelegenheit, im Rahmen der Projektbegehungen am 28.08.2012 in Tangerhütte ein Interview mit Carlotta von Gehren zu führen, die zusammen mit ihrem Mann Martin von Gehren das Gutshaus in Birkholz erwarb. Dieses Jahr erhielt die Familie von Gehren für den Ausbau von Ferienwohnungen im Erdgeschoss eine Bewilligung zur Förderung, letztes Jahr konnte schon der Außenanstrich der Fassade durch Leader teilfinanziert werden. Von den liebevoll und stilecht renovierten Wohnräumen konnte sich Björn Gäde vom Leader-Management und Praktikantin Carolin Werner ein Bild verschaffen, als sie mit Carlotta von Gehren über das Haus, ihren Beruf und die Region sprach. 

C. Werner: Frau von Gehren, in unseren Recherchen erfuhren wir, dass sich das Haus von 1845 bis 1945 im Besitz der Familie Ballerstedt befand, jedoch nicht, was mit der Familie dann passierte.

C. v. Gehren: Wir konnten leider auch nicht in Erfahrung bringen, ob es noch Nachfahren gibt oder ob sich das Dorf um das Finden der Hinterbliebenen bemüht hat. Zumindest konnten wir herausfinden, dass die Familie Ballerstedt mit Erfolg Schweine züchtete und in der Altmark großes Ansehen genossen haben muss. Zuletzt war das Haus Gemeindesitz und gleichzeitig Kindergarten, allerdings wurde nur die obere Etage genutzt. Auch ein Forstamt, eine Schwesternstation und der Verwaltungssitz der Gemeinde befanden sich hier drin.
 

Wie kamen Sie mit der Region in Kontakt?

Mein Mann ist seit 1985 ehrenamtliches Mitglied im Johanniter-Orden und gehört der Provinzial-Sächsischen Genossenschaft an. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ist der Johanniter-Orden in Form der Genossenschaften in regionale Gebiete aufgeteilt. Die Bezeichnung "Provinz Sachsen" stammt aus dieser Zeit und setzt sich landsmannschaftlich aus den Bundesländern Sachsen-Anhalt und Thüringen zusammen. Von daher sind wir seit der Wende viel durch Thüringen und Sachsen-Anhalt gereist. Bald kam der Gedanke auf, dass mein Mann im Ruhestand verstärkt im Johanniter-Orden tätig sein will, auch weiterhin in dieser Genossenschaft, die das Johanniter-Krankenhaus Stendal-Genthin und Altenheime in Stendal und Gardelegen betreut. Dann sagten wir uns, wir suchen uns auch was in Sachsen-Anhalt oder Thüringen, wobei sich bei der Suche bald die Altmark als besonders reizvoll herauskristallisierte. Dann hatten wir Bekannte und Freunde aus der Gegend gebeten, unter anderem auch die Familie von Bismarck, die das Haus ja 1770 erbaute, sich doch mal umzuschauen und bekamen so den Tipp, dass dieses Objekt hier versteigert werden soll.
 

In welchem zeitlichen Rahmen fand das so alles statt?

Die ersten Überlegungen hatten wir ungefähr 2006, ersteigert haben wir das Haus im März 2008. Die Renovierung zog sich dann von 2009 bis 2011 hin. Im Januar letzten Jahres verlagerten wir unseren Wohnsitz hierher. Zurzeit pendelt mein Mann noch zwischen seiner Arbeit in Duisburg und Birkholz, nächstes Jahr kommt er dann in den Ruhestand und wird endgültig herziehen.
 

Zu diesem Anwesen: hatten Sie schon von Anfang an den Plan, auch Ferienwohnungen einzurichten?

Also wir hatten zumindest nicht geplant, dieses riesige Haus alleine zu bewohnen. Ursprünglich sollte eine befreundete Familie im Parterre mit einziehen, quasi als Alters-WG, aber dieses Vorhaben zerschlug sich. Dann überlegten wir, weil wir früher ein Ferienhaus in der Toskana besaßen und auch als Gästehaus vermieteten, dass wir gewisse Erfahrungen sammeln konnten und sagten uns, damit wollen wir hier weitermachen.
 

 

Sie sind stellvertretende Vorsitzende in dem Verein Yehudi Menuhin Live Music Now, einer humanitären Organisation, die jungen Musiker-Talenten Stipendien verleiht und diese dann auch Konzerte in Soziale Einrichtungen spielen lässt. Könnten Sie auch in Erwägung ziehen, Konzerte oder andere kulturelle Veranstaltungen in dem Gutshaus stattfinden zu lassen?

Über Konzerte hatte ich auch schon nachgedacht, allerdings ist die Umsetzung aufgrund hoher Auflagen und besonderer, baulicher Gegebenheiten, die für öffentliche Veranstaltungen erfüllt werden müssen, schwierig. Eher könnte ich mir vorstellen, die untere Etage als Proberaum für Musiker zur Verfügung zu stellen, die einen längeren Probezeitraum brauchen. Ein Streicherquartett muss eben für eine Aufnahme – und das weiß ich aus eigener Erfahrung – mehrere Stunden oder Tage durchproben können.
 

Es gibt noch keinen Vereinssitz von Live Music Now in Sachsen-Anhalt. Könnten Sie sich als derzeitig stellvertretende Vorsitzende des Rhein-Ruhr-Gebiets vorstellen, hier einen zu etablieren?

Das geht leider nicht, denn die Satzung der Vereinsarbeit sieht explizit vor, Musikstudenten zu fördern und da fehlt hier der Hochschulstandort. Allerdings habe ich bemerkt, dass viele unserer Stipendiaten sich auch über die Stendaler Jütting Stiftung fördern lassen, die Musiker aus Stendal unterstützt. Besonders unserer Stipendiaten aus den fern-östlichen Staaten wie China und Korea nutzen beide Fördermöglichkeiten, auch um Anschluss und Kontakte zu finden.
 

Musik spielt ja auch sicherlich in ihrem privaten Leben eine gewisse Rolle und bestimmt beherrschen Sie auch ein Instrument.

Ja, ich selber spiele Cello und auch meine Kinder spielen, unter anderem Klavier und Harfe. Und mir war es immer wichtig, Musiker zu unterstützen. Dadurch, dass wir Musiker in unserer Familie haben, weiß ich, dass dieser Beruf kein leichtes Los ist. Die Karrierelaufbahn beginnt meistens schon mit fünf.
 

Der Gründer des Vereins Yehudi Menuhin gründete 1992 den Verein zum einen, um junge Talente am Anfang ihrer Karriere zu fördern und zum anderen, durch Konzerte in sozialen Einrichtungen Musik Menschen zugutekommen zu lassen, die aufgrund ihrer Lebensumstände nicht die Möglichkeit haben, so etwas zu erleben. Fanden auch hier in der Region bereits Konzerte des Vereins statt oder werden welche geplant?

Die Möglichkeit besteht, nur leider wäre das hinsichtlich der Organisation und Kosten, man muss beachten, dass der Verein sich komplett aus Spenden finanziert, eine Herausforderung. Der am nächst gelegene Vereinssitz wäre in Hannover und alleine die Hinfahrt würde solange dauern wie das Konzert. Länger als 50 bis 60 Minuten Spielzeit kann man, das ist unsere Erfahrung, den Menschen in den Hospizen, Krankenhäusern und Gefängnissen nicht zumuten, auch wenn die Idee von Yehudi Menuhin noch so begrüßenswert ist.
 

Aber durch Ihre Vereinsarbeit haben Sie doch trotzdem schon sicherlich viele Regionen Deutschlands gesehen.

Noch bin ich im Vorstand von Rhein-Ruhr, unser Gebiet erstreckt sich quasi von Düsseldorf bis nach Dortmund. Und dann haben wir ein bis zweimal im Jahr Treffen aller Vereinssitze, wo man auch mal die Gelegenheit bekommt, beispielsweise zu den Vereinssitzen nach Weimar, Leipzig oder Berlin zu reisen.
 

Und wenn Sie mit Ihrem Mann in dem regionalem Einzugsgebiet des Johanniter-Ordens unterwegs waren, können Sie da vielleicht beschreiben, was jetzt konkret die Altmark im Vergleich zu anderen Gebieten Deutschlands auszeichnen würde?

Die Altmark hat schon besondere Merkmale, also wenn ich das jetzt unabhängig von Live Music Now betrachten soll. Wir haben ja vorher im Ruhrgebiet gewohnt, dem Ballungsgebiet Europas, was auf Dauer schon anstrengend sein kann. Die Altmark, mit dieser Landschaft, mit dieser Weite, diese Elbauen, das finde ich wunderschön. Die Lage hier im Ort ist ebenfalls gut, was für uns natürlich wichtig ist, wenn wir Touristen anlocken wollen, dass eine Bahnstation und Einkaufsmöglichkeiten in der Nähe sind und dass man mit den öffentlichen Anbindungen beispielsweise schnell nach Berlin gelangen kann. Und bei dieser reizvollen Landschaft und der Fülle an Kulturangeboten ist das definitv ein Vorteil. Es gibt so viele alte Kirchen hier, bereits zweimal habe ich eine Wanderung auf dem Jacobsweg organisiert, zudem sind die Bedingungen für den Fahrradtourismus ideal, die Wege sind hier gut ausgebaut, auch für den Reittourismus ist die Gegend sehr geeignet.

Leader wird von der EU initiiert. Frau von Gehren, was verbinden Sie denn mit dem europäischen Gedanken?

Eigentlich sehr viel. Seit dem zweiten Weltkrieg gab es keinen Krieg mehr zwischen den Gründerstaaten der EU, solange herrschte noch nie Frieden in Europa. Ich habe mich auch beim Schreiben meiner Diplomarbeit mit dem ersten europäischen Vertrag, dem EGKS-Vertrag, befasst und damit schließlich meine Ausbildung als Diplom-Übersetzerin für Französisch und Portugiesisch abgeschlossen. Und auch als Schülerin durfte ich an einem Austausch nach Frankreich teilnehmen. Die Staaten rücken quasi näher zusammen, alles ist verbindlicher und Kontakte lassen sich leichter halten. Mal abgesehen von der Finanzkrise verbinde ich sehr viel Gutes damit.

Und auch für den heutigen Tourismus innerhalb Europas kann dies sicherlich nur förderlich sein. Dann danke für das Interview!

Das Interview führte Carolin Werner, Journalistik/ Medienmanagement-Studentin an der HS Magdeburg-Stendal.