Mittelalterliche Wandmalereien

Kirchen der Altmark locken mit Comics aus dem Mittelalter

Wandmalereien in Kirchen sind die Comics aus dem Mittelalter. Sie zeigen Szenen aus der Bibel, Heilige oder auch den Alltag der Menschen damals. Jeder verstand sie – auch wer nicht lesen konnte. Ein künstlerisch herausragendes Wandgemälde befindet sich in der St. Jacobi-Kirche in Stendal. Das Gotteshaus steht im historischen Teil der altmärkischen Hansestadt an der Uchte. Schon von dort sehen Besucher das überlebensgroße Gemälde links vom Altar.

Das Bild ist etwa 500 Jahre alt und eines von 70 Kunstwerken dieser Art im Altmarkkreis Salzwedel und im Landkreis Stendal. Restaurator Torsten Arnold vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt ist mit einem Team durch die Städte und Dörfer der Region gefahren und hat in den Kirchen die Vielfalt der altmärkischen Wandmalereien aufgenommen. Die Region verfügt über einen deutschlandweit einzigartig reichen Bestand an solchen Kunstwerken, die aus der gleichen Zeit stammen wie die Meisterwerke von Leonardo da Vinci. Deren wissenschaftliche Erschließung und in-terdisziplinären Erforschung widmet sich seit 2017 ein Kooperationsprojekt im Rahmen des europäischen LEADER/CLLD-Prozesses. Projektpartner sind die Kirchenkreise Salzwedel und Stendal sowie die Lokalen Aktionsgruppen Mittlere Altmark und Uchte-Tanger-Elbe unter wissenschaftlicher Leitung des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt (LDA).

Eines der Ergebnisse ist eine Wanderausstellung, die ab Sommer 2020 für ein Jahr durch die Kirchen der Altmark zieht. Sie zeigt, was Gäste an den Wänden der Gotteshäuser bewundern können. In einer Broschüre sind alle Gemälde mit zusätzlichen Erklärungen dargestellt. Mit dem Projekt wurde aber auch deutlich, in welchen Kirchen zügig gehandelt werden muss, um die Kunstwerke für die Zukunft zu erhalten.

Die Originale sind nicht wieder herstellbar

Eines der umfangreichsten Bilder ist das Wandgemälde in der Stendaler St. Jacobi Kirche. Pfarrer Thomas Krüger erläutert, was darauf zu sehen ist. Es handele sich um das Jüngste Gericht „Und das Besondere am Jüngsten Gericht ist, dass es im unteren Teil auf den typischen Darstellungen immer Teufel gibt und Hexen, die wenig oder gar nicht bekleidet sind und die Leute in die Hölle zerren.“ Auffällig ist der obere Teil, der mit Rot- und Brauntönen farblich gestaltet ist. Der untere Teil dagegen ist komplett schwarz-weiß. Einzig die Umrisse der Teufel, Hexen und Sünder sind zu erkennen.

Diese Figuren waren nackt, ohne Kleidung gezeichnet. Genau das war vor etwa 150 Jahren den Kirchgängern ein Dorn im Auge. Der untere „anstößige" Teil wurde mit Leinen-Stoff abgehängt, der dann mit Ziegelmuster bemalt wurde. Heute kann niemand genau wissen, wie das Gemälde im Original einmal ausgesehen hat. Bei der aufwendigen Restaurierung 2017 fanden die Fachleute keine Hinweise. Selbst Farb-Pigmente sind verloren.

„Wir haben heute wirklich ausgefeilte Untersuchungsmethoden, um die Materialien genau zu analysieren, das heißt, welche Pigmente sind verwendet worden, welche Bindemittel sind verwendet worden? Das ist alles möglich. Aber sie können nichts untersuchen, was nicht mehr da ist“, sagt Restaurator Torsten Arnold. Deswegen war es auch nie eine Frage, dass Gemälde wieder in seinem Original herzustellen.

Die Armut der Region war Glücksfall für die Wandmalereien

Heutige Besucher sehen trotzdem ein einmaliges Werk. Als Vorlage diente, so vermuten die Experten, ein Holzschnitt vom berühmten Maler Albrecht Dürer. Auch die Kopie in Stendal ist ein Meisterwerk. Sie zeigt, dass es der Hansestadt vor fünf Jahrhunderten im ausgehenden Mittalter finanziell gut ging. Manche Farben für das Wandgemälde waren kostbar, sie mussten zum Beispiel aus Kupferkristall aus dem Bergbau teuer gewonnen werden.

Aufgrund der Vielzahl und Unterschiede der Wandmalereien handelt es sich in der Altmark um einen historischen Schatz. Es gibt unter anderem ganz schlichte Darstellungen von Fischen, Eulen oder Lilien – wie etwa in der ehemaligen Klosterkirche in Arendsee. Aber eben auch aufwendige Bilder, wie in Gardelegen oder der Dorfkirche Altmersleben. Diese Bandbreite ist das Spannende. Auch weil die Kunstwerke viel vom Leben im Mittelalter zeigen. Im Kirchenraum haben Besucher den Eindruck, die Zeit sei stehengeblieben, sagt Experte Arnold.

Doch wie kam es zu diesem Glücksfall für die Altmark? Es fehlte über Jahrhunderte einfach Geld, um Kirchen zu erneuern oder passend zum Zeitgeschmack umzubauen: So wurden die Malereien oft nur mit Kalkfarbe übermalt – und blieben darunter erhalten.

Mehr über die Kunst aus dem Mittelalter finden Sie im Internet unter: www.wandmalereien.lda-lsa.de